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Notiz im „BLLV Jugendschriftenausschuß Mittelfranken“

– BLLV Jugendschriftenausschuß Mittelfranken Bad Windsheim, 23.02.1999 von Sieglinde Müller

Die Autorin schreibt realistisch und ehrlich, schnörkellos und überwiegend in kurzen Sätzen. Sie redet nicht um eine Sache herum, sondern bringt auch heikle Themen (z.B. Umgang mit Krankheit und Tod, Homosexualität) direkt, aber sensibel zur Sprache. Der Roman ist nicht in Kapitel gegliedert, er fließt gewissermaßen von Anfang bis Ende dahin, wobei es beim Lesen schwer fällt, irgendwo zu unterbrechen. Ein mitreißendes traurigschönes Buch um erste Erfahrungen in der Liebe und im Leben, das allen Jugendlichen empfohlen werden kann.

Martina Meier (www.papierfresserchen.de)

– von Martina Meier (www.papierfresserchen.de)

Wenn man 100 Jahre schlafen muss, dann kann das ganz schön langweilig werden! Wer sollte das wohl besser wissen als Dornröschen, jenes zauberhafte Märchenwesen, das nach einem Spindelstich in 100-jährigen Tiefschlaf versank und erst durch den Kuss eines holden Prinzen wieder geweckt wurde. Wie aber würde solch Märchenwesen wohl die Welt von heute erleben? Wer das erfahren möchte, kommt an dem Buch „Prinzessin für einen Tag“ von Nina Petrick einfach nicht vorbei. Dort ist es nämlich die Ich-Erzählerin Lena, die aus einer bloßen Laune heraus – und weil sie Märchen ganz besonders mag – Dornröschen auf ein Blatt Papier zeichnet.
Die Prinzessin gelingt dem Mädchen so gut, dass diese sogar zu echtem Leben erwacht – wenn auch nur für 12 Stunden. Dann muss sie zurück in ihr eigenes Leben. Ist Dornröschen nicht pünktlich, muss sie den Rest ihres Daseins bei den Menschen verbringen. Und ob ihr das wirklich Spaß machen würde, ist fraglich! Die beiden sehr unterschiedlichen „Mädchen“ – Dornröschen ist nicht größer als eine Barbie-Puppe – freunden sich trotz aller Unterschiede sehr schnell an und erleben so manch spannendes Abenteuer miteinander. Lena muss Dornröschen sogar vor dem Ertrinken im Aquarium retten, wer hätte das gedacht! Nina Petricks Buch zeichnet sich durch eine sprachliche Leichtigkeit aus, die Spaß macht. Das Buch eignet sich für Mädchen ab etwa neun Jahren, die moderne Märchen mögen, denn ein solches erzählt die Autorin. Die Geschichte ist humorvoll, nicht ohne Witz und Spannung und sicherlich auch mit manch so nicht erwarteter Überraschung verbunden. Nun ja, und am Ende ist alles so, wie es in einem richtigen Märchen sein sollte.

kulturradio RBB, „Prinzessin für einen Tag“

Fernab vom Glitzer rosaroter Prinzessinnenbücher startet der Boje Verlag in seinem neuen Programm mit einer erfreulich eigenständigen Gestaltung des Themas. Autorin Nina Petrick baut in ihrer Geschichte eine stringente Phantasielogik, schreibt tempo- und pointenreich und lässt originelle Charaktere entstehen. Der Malpinsel als magischer Motor ist eine wunderbare Idee um die Handlung in Gang zu bringen und sie auch wieder zu beenden. Die Begegnung von Echtzeit und unbestimmter Märchenzeit gibt diesem modernen Märchen noch ein besondere Würze. Ein mitreißendes Kinderbuch, das zeigt, was so alles passieren kann, wenn Phantasien wahr werden.

– kulturradio RBB Prinzessin für einen Tag von Sonja Gähler

„Heimweh nach der Traurigkeit“ – Die Zeit

Nina Petricks präzise Geschichte eines Berliner Mädchens“
Die Zeit, Nr. 43, Konrad Heidkamp, 17. Oktober 1997   

Sie küßt Tim und denkt beim Radfahren nach Hause an Florian. Aber am nächsten Tag? Sie küßt Florian und vergißt Tim (beinahe). Aber am nächsten Tag … Die vierzehnjährige Anna schwankt zwischen „verliebt“ und „mögen“, findet beides aufregend, hangelt sich von einem Schlechtes-Gewissen-Anfall zum nächsten, versucht sich zu entscheiden und hört sich dann nur „ja“ sagen.
Die Eltern stehen wieder einmal kurz vor der Trennung, Annes langjährige Freundin Caro fliegt und zieht zu ihrem Vater in die USA, die Großeltern bilden die letzte Sonntagsessen-Bastion, die Mütter haben Angst vor dem Bürgerlichsein und flüchten sich in Edding-Sprüche: „Wir werden nicht erwachsen, sondern nur älter.“
Der Ton ist anders. Nina Petrick, 1965 geboren, Pionierin der ersten antiautoritären Kindergartengeneration Berlins, vermeidet coolen Schnodderklang und Larmoyanz, schreibt sparsam und genau und liebevoll am Leben entlang. Sie nennt die Namen der U-Bahnstationen, die Titel der Filme und Musikstücke, um die Zeit festzuhalten und die Gefühle einzuordnen, nicht als Ersatz für fehlende Atmosphäre. Und in all den Verwirrungen von Abschied und Liebe blitzt ein solider Witz auf, wenn sie mit den Großeltern zum „Chinesen“ gehen, oder Tims Mutter ihr etwas Spanisches vortanzt, um sie zu „Unterhalten“ und ihr das Warten zu versüßen.
„Wenn ich mir was wünschen dürfte, wär das etwas Traurigkeit, denn wenn ich gar zu glücklich wär, hätt ich Heimweh nach der Traurigkeit …“ singt Marlene Dietrich im Buch, und kürzer läßt nicht sich fassen, warum sich Anne eine „Regentrinkerin“ nennt. Irgendwann hat sie sich ihren Kameramann erfunden, der sie „filmt“, aus ungewohnten Perspektiven manchmal und natürlich in Schwarz-weiß. Den Daumen nach oben – die Szene war okay; wenn nötig, blendet er/sie einfach ab.
Nina Petrick weiß, wovon sie schreibt. Das Gefühl sich in seinem eigenen Film zu bewegen, kennt jeder Jugendliche. Zu leben, sich aus der Distanz zu sehen und trotzdem zu leben, ist eine andere Kunst. Am Ende verabschiedet Anne ihren Kameramann. Sie braucht ihn nicht mehr. Sie ist nicht nur älter geworden.

„Im Prisma der Regentropfen – Nina Petrick über den falschen Film und das richtige Leben“ – Der Tagesspiegel

Im Prisma der Regentropfen
Nina Petrick über den falschen Film und das richtige Leben
Der Tagesspiegel, Lothar Sand, 29.6.1997

Der erste Satz macht stutzig: „Die Sommerferien sind endlich zu Ende.“ Wer freut sich schon über den bevorstehenden Schulanfang? Anne, 14 Jahre alt, hat im zurückliegenden Sommer Verluste erlitten. Ihre beste Freundin Car ist nach Amerika zu ihrem Vater gezogen, der sich nach einer Ewigkeit wieder gemeldet hat. Anna weiß, daß trotz aller gegenteiligen Beteuerungen der Kontakt zu Caro immer brüchiger werden wird. Die gewinnt den Vater zurück, Anne verliert ihre Freundin. Damit nicht genug. Annes Vater der Fotograf, verläßt Frau und Tochter, um für eine Weile in Südamerika zu arbeiten. Sein Auszug ist nicht der erste, doch dieses Mal sieht es endgültig aus, schließlich packt er auch seine Bücher mit ein.
Anna will sich nicht mit Ha lbwahrheiten abfinden: Weil sie nie richtig gut tanzen wird, hört sie mit den Ballettstunden auf. Wenn es keine Car für sie gibt, will sie auch keine Gelegenheitsfreundin. Anne zieht sich zurück und beobachtet den imaginären Kameramann, der die Situationen ihres Lebens scheinbar auf Zelluloid bannt. Anne lebt in den Bildern, die der Kameramann ins Visier nimmt. Als sie am wenigsten damit rechnet, findet sie in Antonia eine Gleichgesinnte, die ihr Faible für Filme teil und mit der sie die Cafés und Plätze Berlins als Kulissen des immer größer werdenden Lebens erobert. Kompliziert wird es wieder, als zwei männliche Hauptdarsteller auftreten. Tim könnte eigentlich Annes Traumtyp sein, würden nicht Florians Blicke sie mitten ins Herz treffen. Das Gewissen meldet sich bald, eine Entscheidung muss gefunden werden. Annes Kameramann kann ihr Leben in unterschiedlichen Einstellungen nur abbilden. Leben muß sie es selbst. Daß das Ende dabei nicht bekannt ist wie bei einem zigmal gesehenen Schwarzweiß-Klassiker, macht es schwieriger aber auch spannender.
Nina Petricks Debütroman, als Manuskript ausgezeichnet mit dem Peter-Härtling-Preis, der einen Platz im Programm Beltz&Gelberg garantiert, erzählt unspektakulär und präzise von den Regen- und Glitzertagen einer Vierzehnjährigen, die von der Kindheit endgültig Abschied genommen hat und sich manchmal noch verwundert die Augen reibt. Die junge Berliner Autorin gestaltet unaufgeregt und ohne peinliche Verklärung Erfahrungen ihrer eigenen Adoleszenz. Am Ende liebäugelt sie mit der Rückkehr von Annes Vater. Die Heldin würde sicher auch seine Abwesenheit verkraften. Der Kameramann kann einpacken und Lebewohl sagen, kinoreif natürlich. Und Anna ist nicht im falschen Film, sondern im richtigen Leben.

„Freunde zu finden, ist ganz und gar kein Kinderspiel“ – Berliner Morgenpost, Gabi Strobl, 1997

… „Die Regentrinkerin“ ist ein temporeicher, authentischer Roman, der in flapsigen Ton Stationen der Selbstfindung einer Vierzehnjährigen beschreibt. Freundschaft, Verlust, Trennung und erste Liebe werden in einer gelungenen Mischung aus Distanz und Selbstverliebtheit geschildert, so daß sich vor allen Dingen junge Leserinnen mit Anne und ihren Erfahrungen identifizieren können. Auf der Suche nach Identität und Liebe können sie Annes Weg exemplarisch verfolgen und sich inspirieren lassen von haselnussbraunen Augen, guten Freundschaften und einer empfehlenswerten Portion weiblichen Selbstbewußtseins.

Freunde zu finden, ist ganz und gar kein Kinderspiel
Berliner Morgenpost, Gabi Strobl, 1997

„Ein junges Mädchen entdeckt die große Welt der Gefühle“ – Berliner Morgenpost

Ein Katastrophensommer – dieses Chaos an Gefühlen. … Von unterkriegen lassen aber keine Spur. Anne badet sich zwar gerne in ihren Gefühlen, aber nicht ohne eine gewisse Distanz. Dafür sorgt schon der Kameramann, der sie seit Kindheit begleitet, die wichtigen Szenen ihre Lebens „aus den gewagtesten Perspektiven“ filmt.
Ein origineller Einfall. … Gekonnt und überzeugend auch der direkte Tonfall, in dem Anne ihre Erlebnisse und Gedanken schildert.
Anne hat eigentlich kaum Zeit, den Kopf hängen zu lassen – trotz der großen Themen Freundschaft, Verlust, erste Liebe und Trennung, die für sie anstehen und die in dem Jugendbuch temporeich, unterhaltsam, aber keineswegs oberflächlich behandelt werden.

„Ein junges Mädchen entdeckt die große Welt der Gefühle“
Berliner Morgenpost, Bettina Göcmener, 7.8.1997

Die Welt – „Im Visier des Kameramanns“

… Nina Petrick beschreibt Annes melancholische Grundstimmung szenisch lebendig. Das hindert sie, die selbst zur ersten antiautoritär erzogenen Generation gehört, nicht an lakonischen Seitenhieben auf die Eltern …
Silke Schnettler

„Im Visier des Kameramanns“, Nina Petrick porträtiert „Die Regentrinkerin“
Die Welt, 4.12.1997